Hintergrund:
Das Vernichten von Büchern und anderen Informationsquellen hat in
radikalen Regimen System, es soll die Meinungsbildung der Bürger
manipulieren oder verhindern. Deutschland selbst kennt die
Bücherverbrennungen unter anderem während der nationalsozialistischen
Herrschaft. Die al-Mutanabbi-Street-Coalition hat einen beispiellosen
Aufruf an Buch- und Druckkünstler der ganzen Welt gestartet, um gegen
diese Art der Vernichtung literarischer Werke und des kulturellen Erbes
eines Volkes ein Zeichen zu setzen. Anlass war der Autobombenanschlag
vom 5. März 2007 auf die al-Mutanabbi-Street in Bagdad, das
traditionelle Herz des intellektuellen Lebens dort. Der
US-amerikanische Schriftsteller Beau Beausoleil, Gründer der
al-Mutanabbi-Street-Coalition, hat Künstler dazu aufgerufen, einen
Einblattdruck als ganz persönliche Antwort auf das Geschehen in Bagdad
zu schaffen. Ziel war es, dass sich mindestens 130 Künstler beteiligen
- so viele Menschen waren bei dem Anschlag verletzt oder getötet
worden. Das Ziel wurde erreicht.
Ein zweiter Aufruf erging an die Buchkünstler in aller Welt:
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Die al-Mutanabbi-Street-Coalition bittet Buchkünstler der Welt darum,
drei Künstlerbücher zusammenzustellen. Diese Künstlerbücher sollen die
Kraft und die Zerbrechlichkeit von Büchern gleichermaßen anschaulich
machen, aber auch zeigen, wie langlebig die Ideen sind, die diese
Bücher enthalten. Gesucht werden Buchformen aller Art, Gefäße des
gedruckten Wortes, eine Hommage an die Wahrheit, die zwischen den
Deckeln eines Buches ruht. Die Werke sollen beides spiegeln: den
Angriff auf diese “Straße der Buchhändler” ebenso wie die ultimative
Sinnlosigkeit im Tun derer, die versuchen, das Denken auszuradieren.
Die Ausstattung von al-Mutanabbi-Street war so verschiedenartig wie die
Irakische Bevölkerung, einschließlich der Literatur in Irak und im
Mittleren Osten, der Geschichte, der politischen Theorien, Erzählungen,
Lehrbücher, religiösen Traktate, technischen Bücher, der Lyrik, Sagen
und Legenden - sogar Schreibwaren und leere Schulhefte konnten hier in
dieser Straße gekauft werden, ebenso auch Kinderbücher, Comics,
Zeitschriften. Natürlich war Arabisch dominierend, aber es gab auch
Publikationen in Farsi, Französisch, Deutsch und Englisch. Bücher
nehmen mitunter ihre eigenen Wege, manche davon sind uns unbekannt, es
ist daher anzunehmen, dass es auch Bücher in Chinesisch, Japanisch,
Koreanisch, Niederländisch oder Italienisch gegeben haben wird, aber
auch in klassischem Griechisch und Latein, Hindi oder gar Russisch. Der
Text in euerem Buch darf diese linguistischen Kreuzungen durchaus
wiedergeben.
Dieses Projekt will beides sein: ein Klagelied für und eine Mahnung an
die einzigartige Kraft des Buches. Die Künstlerbücher sollen innerhalb
dieses Rahmens sein. Sie sollen Fühlung aufnehmen mit al-Mutanabbi und
seinen Druckern, Schriftstellern, Buchhändlern und Lesern. Sie sollen
die literarische Brücke sichtbar machen, die uns alle verbindet, gebaut
aus Wörtern und Vorstellungen, die oszillieren zwischen den Lesern in
Irak und uns selbst…
Aus dem Rundbrief von Beau Beausoleil (aus dem
Englischen von Annette
C. Dißlin)
Zum neuen Projekt haben sich 260 Buchkünstler aus aller Welt gemeldet!
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